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25. Dezember 2000 Vernazza - Cinque Terre - Italien
Ich bin einer von ihnen.
Sie haben mich aufgenommen
in den Kreis der Eingeborenen.
Mir fehlt nur noch die Sprache,
den Seeräubern entsprungen.
Betrachtet man ihre Gesichter aufmerksam,
so erkennt man sie,
an der Nase, die Nachkommen.
Heute wird den Touristen das Geld
eleganter und legaler abgenommen.
Ich brauchte Jahre,
mich als "Nichttourist"
zu deklarieren.
Nun habe ich es geschafft.
Ich bin einer von ihnen
und werde sie portraitieren.
Wie werden sie reagieren?
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31. Dezember 2000
Das Rennen hat begonnen,
das Rennen
um die letzten Stunden dieses Jahres.
Malend verbrachte ich
unzufriedene Stunden oben,
bei den Felsen
mit Agaven.
Zig mal fragte ich mich:
Wie weiter?
Das wird nichts,
das ist die letzte Agave,
die ich male.
Malen ist nicht schön.
Malen ist kämpfen,
kämpfen mit Ärger
um die Konzentration,
um die Motivation...
weiter, einfach weiter...
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9. Januar 2001
Den Antonio malte ich mit zwei Zuschauern, und er selbst konnte auch
mitverfolgen, wie sein Bild entsteht, im Spiegel hinter mir. Wie beim Coiffeur,
da kann der Kunde auch jeden Schnitt kontrollieren, dem Coiffeur vertrauen, oder
auch nicht. Ich malte ruhig. Ich war der vierte Zuschauer, selber gespannt, wie
so etwas entsteht. Schaffe ich eine Leitung ohne Lecks, vom Auge direkt in die
Hände, ohne Umwege über diverse Hirnwindungen, dann klappt es. Dann sehe ich
mir selber zu, wie ich male, nehme auch wahr, was um mich geschieht, ohne den
Kopf zu drehen und ohne zu unterbrechen. Genau das ist der Zustand um zu malen.
Ich bin wach, ruhig, bewege mich kaum und sehe meiner Hand zu, wie sie malt,
sicher und ohne Zweifel. Das Portraitieren inmitten vom Rummel ist eine
wunderbare Übung.
Ich male, um zu üben.
Was später wird mit diesen Portraits,
darf jetzt nicht interessieren.
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11. Januar 2001
Hier höre ich keine Kuhglocken,
die mich morgens motivieren
zum Aufstehen.
Was ich höre sind Regentropfen.
13. Januar 2001
Es geht ein kalter, eisiger Wind
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So, 8. April 2001 Lliria - Valencia - Spanien
Bin wieder mal in Spanien, umherirrend, verloren in der Welt, unsicher und
scheu, gaffend, ohne Worte, mit viel Hemmungen.
Meine Besuche hier im Restaurant werden immer peinlicher, sie gelten Veronica.
Letztes Jahr arbeitete sie in der Bar an der Plaza, da war alles einfacher. Ich traf
sie wenige Tage vor meiner Abreise, mir fehlte Zeit. Nun fand ich sie wieder,
zwei Dörfer weiter, und ich gehe eine Stunde zu Fuss durch die
Orangenplantagen, um mich dieser Pein auszusetzen.
Sie ist noch schöner geworden.
Warum komme ich denn?
In einer Woche reise ich weiter, werde eine neue Gegend kennen lernen:
Beziers, im Süden Frankreichs. Also was soll das ganze Theater?
Ansonsten geht es mir wunderbar. Seit Jahren stehe ich auf, wann es mir danach
ist, betrachte den Himmel und frage mich, was der Tag denn so bringen könnte.
Was will ich denn noch mehr?
Es ist diese eingepflanzte Lust, Gier nach Mädchenfleisch, nach
Zärtlichkeitsaustausch, die mich, je mehr ich davon ausleben kann, umso weniger
ruhen lässt.
Ich dachte, wenn ich M. mit in die Berge nehme, könnte ich danach wieder eine
Zeit ruhig und gesättigt weiterleben. Dem war nicht so. M. öffnete mir neue
Welten.
Male ich, beruhige ich mich und vergesse alles.
Ist nun das Malen eine "Flucht" oder das andere "Ablenkung"
vom Wesentlichen?
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11. April 2001
Es gibt nichts Spezielles zu berichten, keine Geschichten, die mir einfach so aufs
Blatt kriechen, wie auch schon. Ich bin hier und bereite mich auf meine
Frankreichreise vor. Ich denke, eine Woche in Beziers und danach Paris. Ich male
nicht viel, ein paar Portraits, um in Form zu bleiben, bereite Papier und Mappen
vor für die Reise.
Man darf die Geschichten nicht suchen. Vielleicht ist es wie beim Malen, als
Picasso sagte: Ich suche nicht, ich finde. Nun, ich bin nicht Picasso, ich suche
verkrampft und finde nichts.
Ich muss noch viel lernen.
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5. Mai 2001 Paris
Chlor im Leitungswasser
reduziert die Spermaproduktion,
die Lust jedoch
bleibt
7. Mai 2001
Die Hochs sind hoch
und die Tiefs erschütternd triste.
Hier gehts auf und ab,
von Ruhe keine Spur.
Eine Sucht, in die man sich hineinsteigert,
ja, Paris macht süchtig.
Ich muss rechtzeitig wieder aussteigen,
eine Pause machen,
um das Ganze
von Weitem zu betrachten,
um dann wieder mit selbstgesetzten Regeln,
weiterzumachen.
Täglich etwas malen,
das hält mich, das trägt mich.
Hätte ich das Malen nicht,
ich ginge unter.
Malen ist wie Schwimmen,
es hält mich über Wasser,
geistig.
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10. Mai 2001
ja, ich bin immer noch in Paris,
und je länger denn mehr,
es ist eine Sucht, eine Droge,
und die Gefühle schwanken
von einem Extrem ins andere,
es ist besser, etwas zu spüren,
zu fallen und zu fliegen,
als langweilig und gefühlslos
durch sein leben zu gehen,
in den Bergen
kann ich mich dann wieder beruhigen,
ich muss eben alles leben.
gruss Reto
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9. August 2001 Rieden bei Baden
Es gibt noch Menschen,
die arbeiten unermüdlich und hart,
ohne an den finanziellen Ertrag zu denken.
Diese Arbeiten
haben Qualitäten.
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